Erst der Genuss, dann die Moral? Symposium des AK Esskultur
„Was darf der Mensch eigentlich noch essen?” Angesichts ökonomischer Zwänge, eines ständig bohrenden ökologischen Gewissens und unüberschaubarer globaler Verlockungen keine leichte Frage. Doch das 7. Symposium des Internationalen Arbeitskreises für Kulturforschung des Essens zeigte, dass es durchaus Antworten gibt. Am Beispiel des Hühnerfleisches wurde der Wert von Lebensmitteln, die aktuelle Nutztierhaltung und die globalen Auswirkungen des westlichen Lebensstils diskutiert. Der Arbeitskreis begrüßte dabei ausdrücklich die öffentliche Diskussion dieser Themen.
Das Essen ist von der Moral grundsätzlich nicht zu trennen, stellten die rund 50 Wissenschaftler fest. Wer Fleisch essen will, muss akzeptieren, dass dafür Tiere sterben. Jahrelang hat sich kaum jemand um diese Themen gekümmert. Doch Sorglosigkeit können wir uns heute nicht mehr leisten – zu offensichtlich ist die Verbindung von intensiver Massentierhaltung, hohem Fleischverbrauch und ökologischen Konsequenzen, zu denen insbesondere auch der Klimawandel gehört. Erst ein offener Dialog in der Gesellschaft ermöglicht eine Veränderung der Situation. Wir stehen am Anfang eines langen Aushandlungsprozesses, an dem sich neben Politik und Wirtschaft auch die Konsumenten beteiligen müssen, so die Wissenschaftler.
Die Konsumenten können die Fülle an Informationen jedoch häufig nicht bewältigen. Sie befinden sich in einer Vertrauenskrise gegenüber der Lebensmittelwirtschaft und in einer Handlungskrise, die ihre persönliche Lebensführung betrifft.
Gute Lösungen sind die Vollwerternährung und der Vegetarismus. Das Fleisch wollen die Wissenschaftler aber dennoch nicht ganz abschaffen. Es ist fester Bestandteil der europäischen Esskultur und kann das auch weiterhin bleiben.
Tagungsleiter Gunther Hirschfelder bemerkte hierzu treffend: „Zu wissen, was man isst und wie man isst, wird künftig für bewusst lebende Menschen mehr als zuvor zur Schlüsselkompetenz.“ Um dies zu ermöglichen, müssen neue politische wie auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es erlauben, Genuss und Moral miteinander zu vereinbaren.
Das 7. Symposium des Internationalen Arbeitskreises für Kulturforschung des Essens fand am 8. und 9. Oktober im Salzstadel in Regensburg statt, organisiert vom Internationalen Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens in Kooperation mit der Universität Regensburg.
Der Internationale Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens ist ein Zusammenschluss von rund 60 Wissenschaftler/innen aus Deutschland und dem benachbarten Ausland. Seine Arbeit zielt darauf,
- - Vorreiter für eine interdisziplinäre Erforschung des Kulturthemas Essen zu sein,
- - die Grenzen zwischen den verschiedenen mit Essen und Ernährung befassten Wissenschaftlern zu überwinden,
- - die unterschiedlichen Denk- und Erfahrungsweisen der Ernährung in Wirtschaft und Gesellschaft zu vermitteln und
- - das öffentliche Interesse am Kulturthema Essen zu stärken.
Getragen wird der 1994 gegründete Arbeitskreis von der Dr. Rainer Wild-Stiftung, Stiftung für gesunde Ernährung, Heidelberg.
Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens
Dr. Gesa Schönberger
Geschäftsstelle
Dr. Rainer Wild-Stiftung
Universität Regensburg
Prof. Dr. Gunther Hirschfelder
Vergleichende Kulturwissenschaft